5. April 2024
Das Poliklinik Syndikat unterstützt deutschlandweit den Aufbau und den Betrieb solidarischer Gesundheitszentren mit dem Ziel, die ambulante Gesundheitsversorgung nachhaltig zu verbessern. Wir begrüßen den erkennbaren Ansatz des Gesetzes, die Primärversorgung zu verbessern:
Kommunen als Versorgungakteur*innen sollen gestärkt, nicht-ärztliche Gesundheitsberufe stärker einbezogen werden, Maßnahmen zur Verbesserung der Gesundheitskompetenz und Bedienung sozialer Bedarfe werden als GKV-Leistungen festgelegt.
Insgesamt sind die Regelungen jedoch deutlich zu zögerlich und halbherzig. Mit den vorgeschlagenen Primärversorgungszentren (PVZ, SGB V § 73a) wird die Chance einer konsequenten Neuausrichtung der Primärversorgung verspielt. „Die Etablierung einer neuen ärztlichen Leistung besondere hausärztliche Versorgung mit Schnittstellen zu Gesundheitskiosken und anderen fachärztlichen und nichtärztlichen Leistungserbringern wird den Herausforderungen, vor denen die ambulante Versorgung steht, nicht gerecht“ so Charlotte Kugler vom Poliklinik-Syndikat. Die Problembeschreibung -den besonderen medizinischen Bedürfnissen älterer und multimorbider Patient*innen gerecht zu werden- greift zu kurz und gleicht die Unterversorgung weiterer vulnerabler Bevölkerungsgruppen und die auf dem Land nicht ausreichend aus. „Die angedachten PVZ sind weiterhin rückständig arztzentriert“ so Kugler weiter. Besser wäre es, wenn PVZ eine interprofessionelle Arbeit von medizinischen, psychologischen, sozialen und pädagogischen Fachberufen ermöglichen würden, die niedrigschwellig eine integrierte bio-psycho-soziale Versorgung anbieten. Das wäre eine tatsächliche Weiterentwicklung der Versorgung! Dass diese Art der Versorgung möglich und effektiv ist werden die Poliklinik Syndikatsmitglieder in Berlin und Hamburg in einem Innovationsfondsprojekt ab August 2024 zeigen.
Die geplanten Gesundheitskioske (SGB V § 65g) sind für sich alleinstehend unzureichend. „In besonders benachteiligten Stadtteilen und Regionen lediglich Beratung und Koordination, nicht aber die Versorgung zu verbessern, greift zu kurz und entspricht auch nicht den internationalen Erfahrungen“, so Patricial Hänel vom Gesundheitskollektiv Berlin. Nur in engem Zusammenschluss weiteren Primärversorgungsstrukturen unter einem Dach und in gemeinsamer Trägerschaft stellen diese eine Verbesserung dar. Primärversorgung durch multiprofessionelle Teams und aufsuchende Gemeinwesenarbeit in der Kommune zur Berücksichtigung sozialer Faktoren sind nicht vorgesehen. So bleiben Bevölkerungsgruppen mit vielfältigen Bedarfen der freiwilligen Kooperation der schon existierenden Akteur*innen und somit dem Zufall überlassen.
Die geplante stärkere Steuerung und Koordinierung von Primärversorgungsstrukturen mit den geplanten Gesundheitsregionen ist begrüßenswert. „Die Verantwortung hierfür ist bei den Kommunen zu sehen, das gesetzliche Mandat hierfür fehlt jedoch“, so Hänel. Gesundheitsregionen bieten sich vorwiegend in strukturell gut versorgten Kommunen an; sie setzen aktive Akteur*innen wie Ärzt*innennetze und weitere Player voraus, die entsprechende Angebote aufbauen. In strukturschwachen Gebieten, also da, wo der Bedarf am größten ist, fehlt es zudem oft an finanziellen und personellen Ressourcen. Hier braucht es Lösungen für finanzschwache Kommunen. Gesundheitsregionen sollten kommunal oder gemeinnützig gesteuert werden. Mit der möglichen Auslagerung der Leitung an gewinnorientierte Unternehmen besteht die Gefahr, dass, wie so oft, wirtschaftliche Aspekte und nicht das Wohl der Patient*innen im Vordergrund stehen.